Auch über unseren Einsatz im Oktober dieses Jahres berichtete die Wochenzeitung Jedinstvo (Einigkeit). Der Beitrag erschien bereits am 9. Oktober, kurz nach unserer Abreise.
Die Liebe Gottes steht über allen Vorurteilen
Zu einer weiteren humanitären Mission nach Kosovo und Metochien ist in diesem Oktober aus dem weiten Dresden der junge Deutsche Maik Müller mit sechs Freunden aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands, sowie zwei Brasilianern, die seit einigen Jahren im irischen Dublin wohnen, aufgebrochen.
Vor der Ankunft in Velika Hoča, wo Maik Müller und seine Begleiter bereits Freunde haben bei denen sie verweilen konnten, verbrachten die Mitglieder der „Europäischen Solidaritätsfront für Kosovo“ einige Zeit in Kosovska Mitrovica. Dort wollte die Gruppe von den dort wohnhaften Freunden und Bekannten erfahren, wie der Lebensalltag in diesem Ort aussieht und erkundeten einige Straßen Mitrovicas bis zur Brücke über den Ibar und den sogenannten Friedenspark. Ebenso besuchten sie das Denkmal des Fürsten Lazar und das Denkmal der serbischen Opfer aus dieser Stadt.
Maik und seine Begleiter haben, wie in den Jahren zuvor, auch diesmal Schulmaterial an die Schüler der Grundschulen in Velika Hoča und Orahovac gespendet. Mit Spielsachen, Süßigkeiten, Buntstiften und vielfältigen weiteren für die kleinkindliche Bildung nützlichen Geschenken haben sie den Kindern und Erziehern aus den Kindergärten „Naša radost“ in Orahovac und Velika Hoča eine große Freude gemacht. Für den Chemieunterricht an der Grundschule wurden experimentelle Laborbaukästen überreicht. Den Schülern des Gymnasiums in Orahovac wurde es ermöglicht, dringend benötigtes Unterrichtsmaterial zu beschaffen.
In Velika Hoča wurde auch die Familie von Ivica und Nena Mičić besucht und 300 Euro als Geldspende überreicht. Mit diesem Geld kann ein Teil der Kosten für die Augenoperation ihrer Tochter Jovana beglichen werden. Neben der Geldspende haben Jovana und ihr Bruder auch Schulmaterial erhalten, das Maiks Freunde aus Polen überreicht haben.
Die Zusammenarbeit mit humanitären Helfern aus Polen ist nach den Worten Maik Müllers von außerordentlicher Bedeutung und trägt eine besondere Symbolik:
„Ich muss betonen, dass der größte Teil der Spenden, die wir im Rahmen dieser jetzigen Mission ins Kosovo gebracht haben, von den Menschen aus Polen stammt. Wenn wir bedenken, dass die Beziehungen zwischen den Deutschen und den Polen durch die Geschichte bis heute schwer und angespannt sind, zeigt uns die große Hilfsbereitschaft der Menschen in Polen, dass die Liebe Gottes größer ist als jegliche zwischenmenschlichen, irdischen Vorurteile und dafür sind wir sehr dankbar.“
Anzumerken ist, dass Maik vor drei Jahren der Einladung eines tschechischen Freundes gefolgt ist und das erste Mal das Kosovo besucht hat. Im und um das Kosovo herum, wuchs die Zahl seiner Freunde, womit seine Sicht auf die Dinge erweitert wurde und damit auch neue Aufgaben einhergingen.
„Nach meiner Ersten Reise nach Kosovo und Metochien, auf Einladung meiner tschechischen Freunde im Jahre 2014, die in der „Europäischen Solidaritätsfront für Kosovo“ organisiert waren, habe ich die Rahmenbedingungen gesehen, mit denen die Kosovo-Serben leben müssen. Insbesondere das Schicksal der Kinder hat mich berührt, so dass ich den deutschen Zweig der „Europäischen Solidaritätsfront für Kosovo“ gegründet habe“, erinnert sich Maik Müller.
„Seitdem sind drei Jahre vergangen und wir arbeiten unermüdlich, indem wir verschiedene Projekte entwickeln, mit denen wir den Kosovo-Serben in vielen Bereichen helfen. An erster Stelle helfen wir Institutionen, wie beispielsweise Schulen und Kindergärten, aber unsere Hilfsmissionen gelten auch direkt hilfsbedürftigen Menschen und Familien.“
Den Worten Maik Müllers nach ist ein Hauptmotiv seiner Organisation die Übermittlung der Wahrheit und der Lebenssituationen, die sich vor Ort im Kosovo abspielen:
„Das Hauptziel unserer Arbeit ist, eine Stimme der Serben in unseren Heimatländern zu sein, denn der sogenannte Kosovo-Krieg ist offiziell beendet, aber unsere Medien schweigen, bzw. übermitteln keine Informationen dazu, welche Entwicklungen sich auf dem Kosovo seit Beendigung des Krieges zutragen. Wir möchten aufzeigen, dass sich nicht alle Menschen im Westen mit der NATO-Aggression und den darauffolgenden Ereignissen einverstanden zeigen. Mit der Hilfe Gottes und unserer Tatkraft, erkennen immer mehr Menschen in Deutschland die Wahrheit, die wir ihnen direkt aus dem Kosovo übermitteln.
Mit der Zeit entwickeln immer mehr Menschen in Deutschland das Interesse, sich selbst ein Bild von der Lage vor Ort zu machen. Aus diesem Grund sind wir in diesem Jahr (2017) zwei Mal angereist. Das erste Mal im Mai und nun, im Oktober, zum zweiten Mal. Neben den Personen, die bereits hier gewesen sind, kamen nun wieder neue Begleiter mit, die nie zuvor in dieser Region waren. Dies ist Teil unseres Projekts, indem wir immer mehr Menschen erfahren lassen, was sich hier ereignet.“
„Die Idee ist“, so Maik, „dass unsere Hilfe den Institutionen und Menschen gegenüber langfristig und nicht einmalig angelegt ist. Eben so lange, wie unsere Hilfe benötigt wird.“
Ein weiterer Schritt der Zusammenarbeit wurde durch den Besuch des Klosters Gracanica und der Humanitären Organisation „Majka devet Jugovića“ getan.
„Nach dem Besuch des Klosters, hatten wir ein Treffen mit den Mitarbeitern der Volksküche“, erzählt uns Maik. „Dort haben wir eine größere Anzahl von Kleidungsspenden für von Armut betroffene Familien hinterlassen – mit dem Wissen, dass die dort tätigen Menschen am besten wissen, wer hiervon insbesondere betroffen ist. Besonders froh sind wir über den herzlichen Empfang und die Kontakte zu weiteren Menschen und Hilfsorganisationen, die wir erhalten haben. Mit diesen werden wir bei künftigen humanitären Missionen zusammenarbeiten. Hierbei denke ich auch an eine Vertiefung der Zusammenarbeit mit dem Zusammenschluss der Serben in der Diaspora. Hier hatten wir bereits Kontakte zur serbischen Volksdiaspora in Nürnberg und der Organisation „Serben für Serben“ aus Belgrad. Wir arbeiten mit diesen nun zusammen und wir erhalten von ihnen logistische Hilfe, Kontakte und weitere Hilfestellungen, was uns sehr viel bedeutet.“
Einen besonderen Eindruck auf Maik Müller und seine Begleiter hat bei dieser Reise der Besuch des Ortes Prilužje gemacht. Dort besuchten sie die Kirche, die Schule und wurden von ihrem Bekannten Nebojša Zdravković aus diesem Ort zum örtlichen Denkmal für die getöteten Serben begleitet.
„In Prilužje haben wir die örtliche Schule besucht, haben mit dem Schuldirektor gesprochen, das Denkmal für die getöteten Serben aus diesem Ort und darüber hinaus einen Tennisplatz besucht, dessen Zeltdach von einem Orkan beschädigt wurde. Am Ende haben wir noch die Kinder aus dem Leichtathletik-Club besucht und konnten deren Leistungswillen bestaunen, die zwar keine adäquaten Bedingungen für das Training besitzen, dafür aber viele Trophäen und Medaillen errungen haben“, erzählte uns Maik.
Die Situation in Kosovo und Metochien wird nicht besser
Für Maik Müller ändert sich die Situation im Kosovo, zumindest für das Leben der Serben, nicht. Zumindest nicht zum Besseren.
„Auch nach drei Jahren spüre und sehe ich nicht, dass sich hier etwas verändert hätte. Dies bestätigen uns auch unsere serbischen Freunde auf die Frage, ob es etwas Neues gäbe. Die gängige Antwort lautet meist: „nichts Neues“. In einigen Bereichen verschlimmert sich die Lage sogar. In einem Gespräch mit dem Sekretär des Roten Kreuzes in Velika Hoča zeigte dieser uns seine statistischen Daten, aus denen hervorgeht, dass bei gleichbleibender Dynamik der Migration, der Sterberate sowie ausbleibender Beschäftigungsperspektive mit damit zusammenhängenden Rückkehrern und weiterer Faktoren, die ein normales Leben ermöglichen, dort im Jahre 2037 keine Serben mehr aufzufinden sein werden.
Dies geht uns sehr nahe, insbesondere, wenn wir an die Kinder der Grundschule in Orahovac denken, die für uns und mit denen wir gemeinsame Lieder gesungen haben. In solchen Momenten ist es schwer, seine Tränen zu verbergen.“
Auf der anderen Seite fällt es Maik auch besonders schwer, dass er als „Außenstehender“ wenig an der lokalen Lebenssituation verändern kann.
„Als jemand, der aus einem anderen Land kommt, so wie ich aus Deutschland, fühle ich mich nicht in der Position, um über die serbische Politik oder darüber, was zu tun oder lassen ist, zu debattieren. Meine persönliche Meinung ist, dass die Menschen in ihrem Glauben stark bleiben und sich nicht von Gott entfernen sollten. Die Menschen sollten ihre Werte nicht für ein vermeintlich „besseres“ Leben aufgeben. Ich weiß auch, dass wir in Deutschland im Gegensatz zu den Serben auf dem Kosovo im Luxus leben, jedoch ist auch der Vergleich hier sehr komplex, da, wenn man sich Menschen wie uns anschaut, einfache Arbeiter, die irgendwo 1.200 Euro verdienen und davon 600 Euro für die Miete und weitere Zahlungen für Nebenkosten wie Müllgebühren, Strom und Telekommunikation, sowie den Kindergarten, Lebensmittel, diverse Versicherungen, Kosten rund ums Auto, falls es eins gibt, ansonsten die Kosten für Monatskarten von öffentlichen Verkehrsmitteln etc. aufbringen müssen – so ist auch für uns das Leben am Ende nicht leicht, wenn man dies auf der materiellen Ebene betrachtet.
Und wenn wir ins Kosovo kommen und all die Erfahrungen machen durch die Begegnungen mit Kindern und deren Familien, oder mit den Schulen und dann in unsere Herberge zurückkehren, dann verbleiben wir noch lange im Gespräch über unsere emotionalen Eindrücke und unsere Gefühle. Dann ist es für uns am Ende immer schwer zu fassen, dass wir als Gäste und Freunde zu Menschen kommen, die unter diesen Bedingungen hier leben müssen, die sich nicht frei bewegen können, sich nicht frei äußern dürfen und immer unter einem großen Druck leben müssen, wir uns hier hingegen ganz frei fühlen können.
Am Ende ist es so, dass meine Freunde und ich, die wir meist für etwa eine Woche hier kommen und wieder gehen, sehr leichtfertig viele Worte sagen können. Was ich hingegen ehrlich fühle ist das, was ich den Menschen hier auch sage: „ihr seid nicht allein!““
Vor der Reise nach Kosovo und Metochien ist Maik in Belgrad der Einladung der Vereinigung des Königreichs Serbien gefolgt und hat dort einen Vortrag über die Arbeit seiner Organisation gehalten. Zudem war er auch Gast des serbischen Wissenschaftsfernsehens.
„Ich war überrascht über die Einladung, nach Belgrad zu kommen und dort einen Vortrag zu halten. Denn was sollte ich als Ausländer über die Serben im Kosovo referieren? Währenddessen haben mir die Organisatoren dieses Vortrags aus der Vereinigung des Königreichs Serbien erklärt, dass es besser sei, dass ich etwas zu diesem Thema beitragen würde, da die Menschen, die sich permanent mit ein und derselben Problematik befassen würden, eines Tages betriebsblind würden. Ich war über die Reaktion der Menschen, die bei der Veranstaltung anwesend waren, sehr überrascht. Am Ende der Veranstaltung wollten alle, die da waren, ein Foto mit mir machen, haben mir deren Kinder in den Arm gelegt, um uns gemeinsam zu fotografieren und einige Menschen behaupteten, ich sei eine besondere Persönlichkeit. Dies war für mich sehr berührend, denn ich sehe mich in keiner Weise als jemand Besonderes an, sondern lediglich als ein Schaf in der Herde Gottes.
Für mich war diese Veranstaltung, die dortige freundschaftliche Begegnung wie auch der Auftritt im serbischen Wissenschaftsfernsehen, bei der Journalistin Isidora, ein sehr unwirkliches Erlebnis.“
Auch wenn Maik sich aufgrund seiner Bescheidenheit nicht mit seinen Wohltaten und seinem Eintritt für bessere Lebensumstände der Kosovo-Serben rühmen möchte, wissen die Menschen in sehr vielen Orten der serbischen En- und Exklaven sehr genau, was Maik für diese tut. Das Kosovo hat das Leben dieses jungen Deutschen nachhaltig verändert, denn er hat den Weg eines Atheisten für den eines rechtgläubigen Christen getauscht. Mit seiner Taufe hat er jüngst diesen neuen Lebensweg eingeschlagen.
Bereits zum vierten Male begleitet Maiks Freund Marian aus Deutschland die Mission der Europäischen Solidaritätsfront für Kosovo.
„Seit meinem ersten Besuch im Kosovo ist fast kein Tag vergangen, an dem ich nicht an die Menschen gedacht habe, die ich hier kennengelernt habe“, teilt uns Marian mit und sagt weiter: „das Schicksal der Menschen und die schwierige Situation, in der die Menschen leben, wirken auf mich. Da ich selbst zwei Kinder habe, dachte ich oft daran, wie gut meine Kinder leben und unter welchen Umständen die Kinder in den serbischen Enklaven leben müssen, bzw. leiden. Gleichzeitig sind diese Kinder die Zukunft des serbischen Volkes.
Im Gegensatz zu Maik, der seinen Tränen freien Lauf lässt, fällt es mir schwer, meinen Emotionen freien Lauf zu lassen. Das passiert meist später, im stillen Kämmerlein. Mit den Aufnahmen, die ich mit meiner Fotokamera mache, versuche ich unsere Arbeit zu dokumentieren, aber ich versuche damit auch, anderen Menschen zu zeigen, was mich innerlich bewegt.
Jedes Mal, wenn ich im Kosovo bin, ist mein Herz geteilt. Auf der einen Seite bin ich glücklich über die ehrlichen, offenen und herzlichen Menschen. Und über die Kinder, die lachen, trotz aller Umstände. Auf der anderen Seite bin ich sehr traurig darüber, dass kaum jemand weiß, was im Kosovo passiert, da diese Dinge absichtlich unter Verschluss gehalten werden.
Ein Moment, der diese Reise geprägt hat, war, als die Kinder in der Schule das Volkslied „Oj Kosovo, Kosovo“ sangen und ein Mädchen ihren Schulkameraden anstupste, damit dieser das Lied richtig sänge und hierbei der Lehrer zu weinen anfing. Und noch trauriger war es, als wir mit den Lehrern über unsere Pläne für die nächsten Projekte sprechen wollten, uns diese jedoch entgegneten, dass deren Pläne nur sehr kurzfristigen Bestand haben könnten.
Ich kann mir nicht vorstellen, welche Last diese Menschen tragen müssen, wenn sie täglich mit dem Damokles-Schwert über ihnen Köpfen leben müssen, dass sie ihren Kindern zu keinem Zeitpunkt eine sichere Zukunft bieten können.“
Als die Mission am Samstag, den 7. Oktober endete, reisten auch die beiden Brasilianer Eduardo und Camilla voller Emotionen ab.
„Auch wir sind emotional berührt worden, so wie Maik.“ Fast einstimmig teilen die Beiden ihre Eindrücke dieser Reise ins Kosovo: „Wir hatten zuvor keine Vorstellung davon, was wir hier auffinden und antreffen würden. Einen echten Eindruck davon gewinnt man erst, wenn man hierher kommt. Es ist das Eine, über etwas zu lesen, aber etwas ganz Anderes, wenn man etwas mit seinen eigenen Augen sieht. Das, was wir gesehen und gespürt haben, werden wir versuchen, unseren Freunden zu vermitteln. Denn das, was wir alles nicht wussten, bevor wir hier gewesen sind, das wissen diese auch nicht. Wir versuchen einfach das Bild, das wir von der Realität hier mitgenommen haben, den Schwierigkeiten der Serben auf dem Kosovo, dem permanenten Druck durch die Albaner, zu teilen. Auf der anderen Seite möchten wir ebenso teilen, wie die Serben das schwere Leben dort ertragen.“
Das, woran all die jungen Menschen um Maik Müller herum glauben, ist, dass bei der Rückkehr in ihre Heimatländer neue Projekte auf sie warten, denn, so wie sie am Ende sagten, „wer einmal hier war, der kommt immer und immer wieder.“
Olivera Radić
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